Pferde
Pferde leben uns etwas vor, das wir vergessen haben.
Seit meiner Kindheit begleitet mich ein Phänomen. Sobald ich Tieren begegne, wandelt sich meine momentane Grundstimmung sofort in Freude und ich beginne zu lächeln. Eine gewisse, erwachsene Alltags-Ernsthaftigkeit weicht sofort einer Lebendigkeit und inneren Leichtigkeit.
Tiere gehen unbeschreiblich offen in Kontakt und das berührt mich sehr tief. Mit ihrem unerschütterlichen Selbst-Bewusstsein sind sie in jedem Moment vollkommen präsent und das ist ansteckend.
In den letzten Jahren spürte ich oft, dass mein stressiges, überaktives Alltagsbewusstsein sich von allein beruhigte, wenn ich einige Stunden bei den Pferden war. Ich entspannte mich, kam wieder bei mir an, fühlte mich glücklich mit dem Moment, spürte meinen Körper viel präsenter und genoss die Stille. Manchmal hatte ich aus dieser inneren Stille heraus unvermittelt eine klare Selbsterkenntnis oder kreative Impulse zu einer Behandlung und einem neuen Text.
Wir Menschen sind oft so sehr von allem „Äußeren“, all den Aktivitäten im Alltag abgelenkt und fast wie hypnotisiert davon, dass wir nicht mehr mit uns und unserem Körper verbunden sind. Wir verstehen die Signale des Körpers und unserer Intuition nicht mehr und kappen irgendwann die Verbindung. Dann sind wir nur noch auf unseren Verstand angewiesen und das erschöpft und macht uns unlebendig.
Pferde sind immer vollkommen präsent in jedem Moment und spüren ihren Körper. Alles was in ihm an Spannungen, Schmerzen und emotionalen Bewegungen vorgeht, wird ohne Einschränkung wahrgenommen und integriert. Sie leben ihren individuellen Rhythmus von Aktivität und Ruhe, in Kontakt gehen und für sich sein, sehr klar und ehrlich. In jeder Situation stehen sie vollkommen zu sich und gleichzeitig achten sie die wertvolle Verbindung in der Gemeinschaft. Das Wissen darum und die Sehnsucht unser Leben genau so zu gestalten, ist tief in unseren Zellen gespeichert. Es ist also eine ganz natürliche und wunderbare Unterstützung, Zeit mit Pferden zu verbringen, um uns selbst wieder zu spüren und dieses Wissen für unser Leben zu aktivieren.
Mein Weg zu den Pferden war spontan und ohne Vorkenntnisse.
1996, kurz vor meinem Schulabschluss, nahm eine Bekannte mich als Überraschung zu einem großen Islandpferdehof mit. Sie behandelte dort als Heilpraktikerin einige Pferde und fragte mich aus reiner Neugier immer wieder nach meinem Eindruck von Ausstrahlung und Bewegungsabläufen der Pferdepatienten. Nach ein paar verblüffenden Stunden für mich und einige Antworten später war ersichtlich: „Du hast da irgendwie einen Draht und einen natürlichen Zugang“. Unter ihrer Anleitung durfte ich immer mehr Pferde betreuen, verstärkte damit meinen intuitiven Zugang und sammelte immer mehr Wissen und Praxis über Pferde, Reiten und Bodenarbeit.
Damit war mir meine berufliche Ausrichtung klar geworden: ich wollte gerne Menschen und Pferde behandeln. Ich machte die Heilpraktiker-Ausbildung und lernte in Zürich die Cranio-Sacrale-Therapie für die Anwendung beim Menschen und übertrug diese auf den Pferdekörper.
Einige Jahre später stellte ich mir immer öfter die Frage, ob es noch mehr mit Pferden zu erleben gab als Reiten und Bodenarbeit. War das schon alles?
Meine bohrende Unlust so weiter zu machen wie bisher wurde immer größer. Eine undefinierbare Sehnsucht wuchs in mir, Zeit mit Pferden verbringen zu wollen ohne zu reiten oder etwas erarbeiten zu müssen und ich gab all diese Aktivitäten auf.
In dieser Zeit entdeckte ich Maksida Vogt und ihren aufklärenden Ansatz, gemeinsam eine neue Pferdewelt zu erschaffen. Ihr Buch „Befreie Dein Pferd, Befreie Dich selbst“ rüttelte mich vollständig durch und leitete den endgültigen Schritt in eine umfassende innere Wende ein.
Plötzlich las ich genau die Worte, die meinen persönlichen neuen Weg mit Pferden beschrieben: Pferde dienen weder meinen bewussten, noch meinen unbewussten Bedürfnissen, sondern es geht darum eine freiwillige und befreiende Basis des Zusammen-Lebens und Voneinander-Lernens zu erschaffen!
Nach meiner Entscheidung auch jegliche Unterrichts-Aktivität einzustellen, veränderten sich die Begegnungen mit den Pferdefreunden tiefgreifend. Sie verhielten sich mir gegenüber plötzlich noch offener und freier und ich konnte ihre Empfindungssprache viel deutlicher verstehen.
Als Fazit dieser intensiven letzten Jahre kann ich sagen, ob für Mensch oder Tier, eines gilt für beide gleich: Wenn ich Deine Persönlichkeit und Dein Wesen sehe und achte und Dich so sein lasse wie Du bist, genau dann gebe ich Dir den Raum,, den Du brauchst um Dich vollumfänglich zu entfalten und befreit in Deine Kraft zu kommen!